Das Kreuz von San Damiano

Kreuz_von_San_DamianoDas Kreuz von San Dami­a­no ist als Iko­ne im 12. Jahr­hun­dert von einem syri­schen Mönch gemalt wor­den. Es zeigt Chris­tus als den Auf­er­stan­de­nen und Ver­herr­lich­ten. Hin­ter sei­nen aus­ge­spann­ten Armen ist das lee­re Grab erkenn­bar. Rechts und links kom­men die Frau­en zum lee­ren Grab. Unter den Armen des Gekreu­zig­ten sind jeweils zwei Engel sicht­bar, die sich am lee­ren Grab in leb­haf­tem Gespräch ein­an­der zuwen­den und mit ihren Hän­den auf den Herrn weisen.

Unter dem Kreuz und den aus­ge­brei­te­ten Armen Jesu hat der Maler der Iko­ne fünf Per­so­nen ange­ord­net, deren Namen zu ihren Füßen notiert sind: Maria; Johan­nes; Maria Mag­da­le­na; Maria, die Mut­ter des Jako­bus; der Haupt­mann. Alle die­se Gestal­ten haben exakt die glei­che Sta­tur. Alle haben sie die gro­ßen Augen, den klei­nen Mund und das ova­le Gesicht, wie sie sich auch bei Jesus fin­den. Und wenn wir Jesus Kreuz_von_San_Damiano_Detail_links betrach­ten, fin­den wir an ihm die glei­chen Merk­ma­le wie­der. Dies erin­nert an das Pau­lus­wort: “Alle, die Gott im Vor­aus erkannt hat, hat er auch im Vor­aus dazu bestimmt, an Wesen und Gestalt sei­nes Soh­nes teil­zu­ha­ben“ (Röm 8,29). Maria nimmt den Ehren­platz zur Rech­ten Jesu ein. Mit der rech­ten Hand ver­weist sie auf ihren Sohn. Der hat sie Johan­nes zur Mut­ter gege­ben. Johan­nes nimmt wie beim letz­ten Abend­mahl in unmit­tel­ba­rem Kon­takt zu Jesus den inti­men Platz an sei­ner Sei­te ein, direkt unter der Sei­ten­wun­de. Auch sei­ne rech­te Hand ist auf Jesus gerich­tet. Sein Man­tel trägt die Far­be rosa als Zei­chen der Lie­be zur ewi­gen Weis­heit. Die wei­ße Tuni­ka steht für die Keuschheit.

Zur Lin­ken Jesu fin­det sich Maria Mag­da­le­na, geklei­det im roten Gewand der Lie­be. Sie berührt mit ihrem Haupt die ande­re Maria, Zei­chen für das inni­ge Gespräch und den Aus­tausch über das Geheim­nis, das sie erfah­ren haben. Maria Mag­da­le­na dürf­te den Apos­teln die fro­he Bot­schaft des Oster­mor­gens über­brin­gen: “Ich habe den Herrn gese­hen“ (Joh 20,18). Die ande­re Maria war nach Mat­thä­us (vgl. Mt 27,56; 13,55) die Mut­ter des Jako­bus, des Vet­ters Jesu.

Die fünf­te Gestalt ist der Haupt­mann, der könig­li­che Beam­te, des­sen Sohn Jesus aus der Fer­ne geheilt hat (vgl. Joh 4,46). Von die­sem Mann erzählt der Evan­ge­list Johan­nes, dass er zum Glau­ben kam, eben­so wie sei­ne gesam­te Fami­lie (vgl. Joh 4,53). Auf sei­ner lin­ken Schul­ter ist das Gesicht sei­nes Soh­nes zu sehen. Dahin­ter die Stirn von drei wei­te­ren Per­so­nen, die hin­ter ihm ste­hen. Sie stel­len die gesam­te Fami­lie des Haupt­manns dar, die zum Glau­ben geführt wor­den ist. Der Haupt­mann hält ein Stück Holz in der Hand. Dies bezieht sich auf die Syn­ago­ge, die er in Kafar­na­um gebaut hat, gemäß der Erzäh­lung in Lukas 7,5.

Kreuz_von_San_Damiano_Detail_rechtsVor Maria und dem Haupt­mann sind zwei klei­ne Gestal­ten dar­ge­stellt. Die Uni­form weist die lin­ke Per­son als römi­schen Sol­da­ten aus. Die Gestalt zur Rech­ten nimmt die glei­che Posi­ti­on ein wie jene zu Lin­ken: Das Knie ange­ho­ben, die Hand auf der Hüf­te, den Blick auf Jesus gerich­tet. Die­se Kor­re­spon­denz ver­weist auf die bei­den Grup­pie­run­gen, die mit der Hin­rich­tung Jesu beauf­tragt waren, die Römer und die Juden.

Nahe am lin­ken Bein Jesu hat der Künst­ler einen Hahn gemalt. Für die Men­schen im Alter­tum, die der Natur so ver­bun­den waren, war der Hahn zum Sym­bol der auf­ge­hen­den Son­ne gewor­den. Er ver­weist auf den auf­er­stan­de­nen, auf Chris­tus als das „Licht der Welt“.

Am Fuß des Kreu­zes sind nur noch zwei Gestal­ten erhal­ten. Die rest­li­chen sind ver­mut­lich der Andacht der Gläu­bi­gen zum Opfer gefal­len, die den unte­ren Rand der Iko­ne mit Küs­sen ver­ehrt haben. Die Gestal­ten tra­gen einen Kranz und befin­den sich im Bereich, der von den Muscheln ein­ge­grenzt wird: Kenn­zei­chen des Got­tes­rei­ches. Sie ste­hen für die noch leben­den Gläu­bi­gen, die den Auf­er­stan­de­nen spä­ter von Ange­sicht zu Ange­sicht schau­en werden.

Über dem Glo­ri­en­schein ist eine Inschrift erkenn­bar. Die Buch­sta­ben IHS sind die ers­ten drei Buch­sta­ben des Namens JESUS in grie­chi­schen Groß­buch­sta­ben: IHSOYS. Dem­nach bedeu­tet die gesam­te Inschrift: JESU, DER NAZARENER, KÖNIG DER JUDEN. Die Inschrift ver­weist auf die Tafel, die Pila­tus am Kreuz hat anbrin­gen las­sen. Sie ist zugleich Bekennt­nis des Glaubens.

Kreuz_von_San_Damiano_Detail_obenEin Medail­lon im obe­ren Teil der Iko­ne zeigt Jesus bei sei­ner Him­mel­fahrt. Sein gold­far­be­nes Gewand ver­weist auf sei­nen Sieg und sein König­tum. Von sei­ner Schul­ter weht eine rote Sto­la als Zei­chen sei­ner Herr­schaft: Eine Herr­schaft, die in Lie­be aus­ge­übt wird (1 Makk 10,64).

In sei­ner lin­ken Hand hält Jesus ein Kreuz, das Instru­ment sei­nes Sie­ges. Aber jetzt ist es ein gol­de­nes Kreuz und wird zum “Zep­ter sei­ner Herr­schaft, zum gerech­ten Zep­ter“ (Ps 45,7). Die Engel, die ihm einen Emp­fang berei­ten, sind in Rot und in Gold geklei­det: Sie tra­gen sei­ne Farben.

Am obe­ren Rand der Iko­ne befin­det sich ein Halb­me­dail­lon. In ihm erscheint eine rech­te Hand, in der Ges­te des Seg­nens. Sie sym­bo­li­siert die rech­te Hand des Vaters. Er seg­net mit dem Geschenk des Hei­li­gen Geistes.

Das Kreuz­bild von San Dami­a­no stellt kom­pri­miert das gesam­te Heils­werk Chris­ti dar, wie es im Glau­bens­be­kennt­nis aus­ge­sagt wird: “Gekreu­zigt, gestor­ben und begra­ben, hin­ab­ge­stie­gen in das Reich des Todes, am drit­ten Tage auf­er­stan­den von den Toten, auf­ge­fah­ren in den Him­mel. Er sitzt zur Rech­ten Got­tes, des all­mäch­ti­gen Vaters. Von dort wird er kom­men, zu rich­ten die Leben­den und die Toten.“

Durch die­ses Kreuz wur­de Fran­zis­kus ange­spro­chen und in den Dienst der Kir­che geru­fen. Er hat damals geant­wor­tet: “Höchs­ter, glor­rei­cher Gott! Erleuch­te die Fins­ter­nis mei­nes Her­zens, schen­ke mir rech­ten Glau­ben, gefes­tig­te Hoff­nung und voll­ende­te Lie­be. Gib mir, Herr, das rech­te Emp­fin­den und Erken­nen, damit ich dei­nen hei­li­gen Auf­trag erfül­le, den du mir in Wahr­heit gege­ben hast.“

Quel­le: Inter­fran­zis­ka­ni­schen Arbeits­ge­mein­schaft – INFAG